aber lest selbst diese schöne Geschichte:
Vorgeschichte OTIS
Bei OTIS (genauer OTIS 5)
handelt es sich um einen 18jährigen Tuigpaarden-Wallach (holländisches
Warmblut).
OTIS war bis zu seinem 7.
Lebensjahr privates Turnierpferd. Er wurde in der Vielseitigkeit eingesetzt und
war entsprechend erfolgreich.
Dann wurde er an eine
Reitschule verkauft. Dort ging er im Dressur- und Springunterricht und auf
Turnieren.
Mit 10 Jahren wechselte er
zu einer weiteren Reitschule. Hier wurde OTIS hauptsächlich als Voltigierpferd
eingesetzt. In den Dressurstunden wurde er vorwiegend von Kindern und
Jugendlichen geritten, die wenig Reiterfahrung hatten. Korrektur, ausgleichende
Gymnastik und passendes Sattelzeug gab es für OTIS leider nicht. Er wurde beim
Reiten und im Umgang immer bockiger. Mit 11 Jahren hatte er eine
Nierenerkrankung und mußte in der Tierklinik stationär aufgenommen und mehrere
Wochen behandelt werden. Für den Einsatz im Schulbetrieb war OTIS nicht mehr
geeignet, wurde jedoch immer noch eingesetzt und dadurch immer aggressiver.
Er wechselte schließlich
mit 13 Jahren zu seiner jetzigen Besitzerin Karin Neumann. Diese erhielt ein
abgemagertes und völlig verstörtes Pferd, das sich nicht mal mehr halftern
ließ. Sie gönnte OTIS Ruhe und gab ihm Zeit, sich an seine neue Umgebung und
seine neuen Menschen zu gewöhnen. Danach wurde OTIS auf Spazierausritte
mitgenommen. Arbeit auf dem Reitplatz war mit ihm undenkbar. Er bockte mit
jedem Reiter durch die Bahn. Nach einem weiteren Jahr Pause habe ich OTIS nun
ins Training genommen.
Hier meine Facharbeit
„Physiotherapie und Training“ über OTIS 5.
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Erster Termin:
Anamnese
OTIS ist 18 Jahre, Fuchs
mit breiter Blesse und vier weißen Beinen. Er ist ein Tuigpaarden-Wallach
(holländisches Warmblut).
Gehalten wird OTIS in
einer geräumigen Box mit direktem Kontakt zum Nachbarpferd. Tagsüber kann sich
OTIS mit einem Kumpel frei auf dem Paddock bewegen. Heu und Wasser stehen
ausreichend zur Verfügung. Er kommt jeden zweiten Tag zum Freilaufen in die Halle.
Zweimal am Tag bekommt er Kraftfutter (ganzen Hafer, Müsli, Mineralfutter) und
Saftfutter. Heu und Stroh stehen fast rund um die Uhr zur Verfügung. Wasser
gibt es aus Eimern. Bislang wurde OTIS einmal pro Jahr geimpft und viermal
entwurmt. Zweimal im Jahr kommt der Pferdezahnarzt.
OTIS beim ersten Termin
Auf
den ersten Blick
Wenn OTIS steht, schaut er
den Menschen nicht an. Das Auge/der Gesichtsausdruck ist desinteressiert und mißtrauisch.
Das Maul ist zugekniffen und wirkt daher klein. Sein Fell ist stumpf und ohne
Glanz. OTIS erscheint sehr kantig, Rücken- und Pomuskulatur gibt es eigentlich
nicht. Die Hüftknochen stehen hervor. Er ist leicht rippig. Am Hals ist die
ausgeprägte Unterhalsmuskulatur gut zu erkennen. Er hat eine sehr steile
Schulter. Von vorne betrachtet steht er relativ gerade. Von der Seite fällt die
Rückständigkeit der Vordergliedmaßen auf und die nach oben herausstehende
Lendenwirbelsäule. Von hinten fällt sofort der nach links hängende Schweif ins
Auge. Die Hufe sind nicht beschlagen. Kein Huf gleicht dem anderen. Form und
Beschaffenheit sind an allen vier Hufen unterschiedlich.
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Laut seiner Besitzerin
kann OTIS oft nicht alleine aufstehen, sei es nach dem Wälzen oder morgens in
der Box, wenn er im Liegen geschlafen hat. Dann muß man ihn bei seinen
Aufstehversuchen stützen, damit er hoch kommt.
Palpation
Schon bei den ersten
Berührungen zeigt mir OTIS deutlich, was er vom angefaßt werden hält:
Nämlich gar nichts! Er versucht mich ständig zu beißen oder zu treten. Wenn das
nicht hilft, nimmt er den Kopf hoch und drängelt und schiebt seine Besitzerin
und mich massiv weg. Er reagiert dann auch nicht mehr auf Ziehen am Strick oder
ähnliches.
Er geht seinen Weg!
Das ist der Grund, weshalb
ich die Palpation und auch das Durchbewegen auf mehrere Termine verteilt habe.
Denn länger als fünf bis zehn Minuten war OTIS nicht händelbar.
Die Ergebnisse habe ich
hier der Einfachheit halber zusammengefasst.
Beim Abtasten bestätigt sich der erste Eindruck. Die Unterhalsmuskulatur
fühlt sich sehr fest an. Muskulatur im oberen Teil des Halses gibt es quasi
nicht. Das Schulterblatt und auch die Schulterblattgräte sind gut zu tasten.
Das knöcherne Brustbein steht vor und wird von nur wenig Brustmuskulatur
begleitet. Die Vordergliedmaßen fühlen sich gleichmäßig und robust an. Es sind
keine Wassereinlagerungen, Dellen, Narben oder Verhärtungen zu fühlen. Die
gesamte Wirbelsäule steht hervor und ist daher sehr gut zu fühlen. Die daneben
liegende Muskulatur vom langen Rückenstrecker fühlt sich nur wie eine sehnige,
kompakte Platte an. Von Muskel kann man hier kaum sprechen. Das setzt sich nach
hinten fort. Die Glutealmuskulatur ist ebenfalls wenig ausgeprägt aber sehr
fest und sehnig. Die Rippen sind gut fühlbar. Am Bauch hat OTIS kurz hinter der
rechten Gurtlage eine handtellergroße Verhärtung. Die Hintergliedmaßen sind
beim Abtasten ohne Auffälligkeiten.
Gangbildanalyse
Im
Schritt:
Von vorne betrachtet, wirkt OTIS tapsig. Er fällt
mehr von einem Bein auf das andere, anstatt die Bewegung flüssig nach vorne
auszuführen und korrekt auf zu fußen.
Von der Seite sieht man, daß die Vordergliedmaßen
wenig raumgriff haben. Das kann auch mit an der sehr steilen Schulter liegen.
Die Hintergliedmaßen sind steif, beide Hufe schlurfen über den Boden, rechts
noch mehr als links. Hüft-, Knie- und Sprunggelenk werden kaum gebeugt. Das
Becken ist flach und nach hinten rausgestellt. Er fußt schlecht unter.
Von Hinten fällt auf, daß sich das Becken kaum
bewegt. Ein gleichmäßiges auf und ab ist kaum zu erkennen. Das Becken steht
links weiter vor. Das Pferd ist nach links verzogen. Der Schweif hängt extrem
nach links.
Im
Trab:
Von vorne fällt wieder die verkürzte linke Seite
auf. Otis läuft im Trab auf drei Hufschlägen.
Von der Seite stellt sich das Pferd im Trab
zweigeteilt dar. Man könnte es quasi hinter dem Widerrist teilen. Die Vorhand
läuft taktrein. Zwar mit wenig Schwung und Raumgriff, aber seitengleich und
regelmäßig.
Ein Schwingen im Rücken
ist nicht zu sehen. Die Hinterhand tapst steif hinterher, wirkt wie ein
hopsender Hase. Hinten rechts fußt das Bein im Hahnentritt vor. Daher ist
hinten rechts auch kurztrittiger als hinten links.
Von hinten fällt ebenfalls die Steifheit und die
Schiefe nach links auf. Das rechte Hinterbein fußt steif nach außen und tritt
nicht unter den Schwerpunkt. Es nimmt kaum Last auf.
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Durchbewegen
um Gelenke und Muskulatur
zu überprüfen
Ich taste die
Kaumuskulatur auf beiden Seiten ab. Sie ist gut ausgeprägt und gleichmäßig.
Eine Druckdolenz an den Kiefergelenken ist nicht feststellbar. Ober- und
Unterkiefer lassen sich seitengleich verschieben. Hier hakt nichts. Das
Zungenbein ist locker. Das Nackenband ist am Hinterhauptsbein gut fühlbar aber
ohne Befund. Bei gerade gestelltem Pferd ertaste ich die Atlasstellung und
anschließend den Verlauf der Halswirbelsäule. Hier sind keine Auffälligkeiten
vorhanden. Auch die Beweglichkeit von Kopf und Hals sind normal.
Ich nehme das linke
Vorderbein auf und prüfe die Beweglichkeit des Schulterblatts durch anheben und
absenken desselben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wird es nach einigen
Versuchen besser und das Auf- und Abgleiten des Schulterblatts gelingt dann
problemlos. Durch Vor- und Zurückführen des gewinkelten Vorderbeins prüfe ich
die Schulterbeweglichkeit in der Vor- und Rückwärtsbewegung. Hier gibt es jetzt
keine Probleme. Ich hebe das Vorderbein, über dem Karpalgelenk gefaßt, weit an
und überprüfe die Beweglichkeit des Ellenbogengelenks. Danach prüfe ich
Adduktion (Heranführen) und Abduktion (Wegführen) der Vordergliedmaße zum
Körper. Otis spannt stark gegen beide Bewegungsrichtungen an. Der
Bewegungsspielraum ist daher sehr gering. Die Karpalgelenksstreckung
funktioniert ohne Problem. Die Vordergliedmaße läßt sich nach vorne/unten
strecken, allerdings mit wenig Raumgriff nach vorne. Ich nehme die
Vordergliedmaße auf. Zeige- und Mittelfinger lege ich in die beiden
Karpalgelenksspalten und bewege das Vorderbein leicht auf- und ab. Ich fühle
keine Abnormitäten. Bei leicht angehobenem Huf taste ich die Beugesehnen ab. Es
sind keine Verklebungen, Verhärtungen oder Flüssigkeitseinlagerungen zu fühlen.
Auch im Fesselgelenk sind keine Veränderungen zu tasten. Der Huf läßt sich im
normalen Maß leicht rotieren. Nun führe ich die gestreckte Vordergliedmaße nach
hinten. Ich stelle sie soweit wie möglich hinten ab, um die Dehnung der
Muskulatur am vorderen Schulterblatt, am Unterhals und der Brust zu testen.
Abstellen ist möglich aber nur in kurzer Distanz. Die gleichen Übungen mache
ich mit der rechten Vordergliedmaße. Es ergeben sich keine Seitendifferenzen.
Nun teste ich die
Hintergliedmaßen. Ich beginne mit dem linken Hinterbein, da hier im Gangbild
die wenigsten Probleme sichtbar waren. Anschließend habe ich dann rechts einen
guten Vergleich, in welchen Bereichen es Probleme gibt. Ich nehme das
Hinterbein auf und teste durch rotieren, ob im Hüftgelenk etwas hakt. Dann
kommen auch hier die Adduktion und Abduktion. Anschließend dehne ich das Bein
nach hinten raus und unterstützte die Dehnung mit leichtem Druck auf das
Sprunggelenk. Dehnung ist möglich aber wieder mit wenig Weite. Sprunggelenk,
Sehnen und Hufrotation zeigen keine Auffälligkeiten. Dafür ist es fast
unmöglich das Hinterbein nach vorne zu strecken und die Hüfte abkippen zu
lassen. Otis reagiert hier deutlich mit Gegenwehr. Ich habe kaum eine
Möglichkeit, ihn in die Diagonale abstrecken zu lassen. Bei der rechten
Hintergliedmaße macht das Rotieren im Hüftgelenk Probleme. Hier hakt es an
manchen Stellen und die Rotation läuft nicht rund sondern ist holprig. Alle
anderen Überprüfungen sind mit der linken Hintergliedmaße identisch.
Nun taste ich die
Wirbelsäule ab. Ich achte auf Schmerzreaktionen, wenn ich die
Wirbelzwischenräume ertaste und auf Schiefstellungen der einzelnen
Wirbelkörper. Die Lendenwirbel stehen zwar sehr hoch, sind aber ansonsten ohne
Befund. OTIS hält den Schweif fest. Hier fehlt die Lockerheit. Der Schweif läst
sich aber ohne Probleme in alle Richtungen bewegen.
Bei der Überprüfung des
Beckens, bestätigt sich nochmal, was bereits offensichtlich war. Das Becken
steht links weiter vor als rechts.
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Zuletzt prüfe ich mit den
Pencellstäbchen über die Reflexbahnen im Rücken die seitliche Biegsamkeit der
Wirbelsäule einmal von links und einmal von rechts. Anschließend lasse ich von
hinten mit Hilfe der Stäbchen das Becken abkippen und durch Ziehen über die
Glutealmuskulatur nach hinten/unten das Becken und die Lendenwirbelsäule
aufwölben. Beide Tests funktionieren erstaunlicher Weise sehr gut bei Otis.
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Zweiter Termin:
OTIS – Das Anti-Pferd oder:
Physiotherapie nein Danke
Bei meinem zweiten Besuch
zeigt sich OTIS wieder von seiner Anti-Seite. Sich anfassen und berühren zu
lassen findet OTIS nicht wirktlich toll. Er bleibt nicht stehen, drängelt uns
Menschen massiv weg und versucht uns zu beißen.
Wenn man versucht ein Bein
anzuheben und einige Übungen machen möchte wird das mit Wegziehen und Treten
quittiert.
So kann natürlich keine
Physiotherapie stattfinden.
Wir werden einen anderen
Weg gehen müssen.
Dritter Termin:
Pferdepsyche und Training
OTIS hat in den letzten
Jahren im Reitschulbetrieb sehr viele schlechte Erfahrungen gemacht. Immer
wieder ritten Anfänger, Kinder und Jugendliche auf ihm. Sein Sattel paßte nicht
und bereitete ihm Schmerzen. Dazu kamen die vielen Volti-Stunden, die er meist
nur auf der linken Hand laufen mußte. OTIS hat dabei gelernt, dass er nur
Schmerzen hat und Schlechtes erfährt, wenn Menschen etwas von ihm wollen. Er
hat daher sein Verhalten „angepaßt“. Durch Drängeln, Zerren, Bocken, Scheuen,
Beißen oder Treten hatte er irgendwann Ruhe vor den Menschen. Diese
Schutzmechanismen hatte OTIS extrem verinnerlicht. Nun hieß es durch
kontinuierliches Training mit OTIS diese alten Muster zu durchbrechen und neue
Verhaltens- und Bewegungsmuster zu festigen.
OTIS
zu Beginn des Trainings
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Die ersten drei Monate:
Durchhalten heißt die Devise
Erster
Schritt:
Training
am Knotenhalfter mit Langseil im Schritt
Da OTIS nicht lange still
stehen konnte, fing ich mit einfachen Übungen im Schritt an. Die erste wichtige
Übung war das „Kopf tief“ auf leichten Druck im Genick vom Knotenhalfter in
Kombination mit dem gleichlautenden Stimmkommando. Damit konnte ich OTIS später
„auf Knopfdruck“ entspannen. Außerdem lernte er so, in entspannter
Körperhaltung zu laufen. Für jede richtige Reaktion habe ich ihn mit der Stimme
gelobt. Es fiel auf, dass OTIS bei dieser Übung im Schritt schon aus der
Balance kam, da ihn ja seine gut trainierte Unterhalsmuskulatur nun nicht mehr
stützen konnte. Er gewöhnte sich relativ schnell an den neuen Bewegungsablauf
und an das Kommando „Kopf tief“.
Als nächstes kam die
gymnastizierende Arbeit im Schritt. OTIS gesamte Muskulatur sollte wieder
elastisch und beweglich werden, damit er sich auch ausbalanciert im Trab und
später im Galopp schmerzfrei bewegen kann. Ich fing mit ihm an, Schulter vor
und Schulter herein zu arbeiten, ließ ihn immer mal wieder einige Schritte
rückwärts treten und später kam das Untertreten der Hinterhand auf gebogener
Linie dazu. Diese Übungen fielen OTIS anfänglich sehr schwer. Ich mußte
aufpassen, dass er nicht nach mir schnappt oder mich tritt. Mit jeder
Übungsstunde wurde aber dieses Abwehrverhalten weniger.
Zweiter
Schritt:
Training
am Knotenhalfter mit Langseil im Trab
Da ich OTIS im Schritt auf
Distanz führen, anhalten und wieder antreten lassen konnte, kam nun der Trab in
der Arbeit dazu. Die ersten Versuche OTIS anzutraben, endeten im Kopf hoch nach
außen reißen und wegspringen während die Hinterhand versuchte, mich zu treten.
Festes Schuhwerk für einen sicheren Stand und ein strapazierfähiges Paar
Handschuhe sorgten dafür, dass mir OTIS nicht „abhanden“ gekommen ist.
Ich blieb freundlich
konsequent und forderte OTIS immer wieder mit Stimme und treibendem
Langseilende zum Trab auf. Jeder Schritt ohne Gegenwehr wurde sofort gelobt. Es
dauerte ca. drei Monate, bis ich OTIS annähernd gefahrlos antraben konnte.
In dieser Zeit steigerte
ich langsam das Training. Ich fing mit zwei Runden Trab an und steigerte die
Belastung langsam auf einige Minuten Trabarbeit. Dabei war unser erstes Ziel,
dass OTIS mit entspannt hängendem Hals locker im Kreis trabte, ähnlich wie
leichtes Joggen. Dadurch wurde die Unterhalsmuskulatur entspannter und der
Rücken konnte anfangen, locker zu schwingen. Aus dieser entspannten Haltung
heraus arbeitete ich später daran, OTIS in eine gesunde Selbsthaltung zu
bringen, die Vorhand frei zu bekommen, Last auf die Hinterhand zu bringen und
Schubkraft zu entwickeln.
Ich selbst trainierte in
diesen ersten drei Monaten und auch später zweimal pro Woche mit OTIS. An den
anderen Tagen war er im Paddock oder mit seiner kleinen Stutenfreundin
freilaufend in der Halle.
Wie schlimm mußte es
diesem Pferd früher ergangen sein, wenn das Vertrauen in die Menschen so
gestört ist. In den ersten drei Monaten trainierte ich mit OTIS die
Biegeübungen im Schritt und die Trabarbeit. Während dieser Zeit war OTIS
weiterhin unberechenbar und er arbeitete nicht wirklich mit mir sondern oft
genug auch weiterhin gegen mich. Das Vertrauen in mich bzw. dem Menschen war
noch nicht wieder hergestellt. An Physiotherapie wie Massagen oder Dehnübungen
war noch nicht zu denken. Kurzfristig habe ich tatsächlich darüber nachgedacht,
aufzugeben. Ich hatte das Gefühl, nicht zu OTIS durchzudringen. Außerdem war
die Arbeit mit ihm für mich teilweise doch sehr gefährlich. Aber ich hielt
durch und OTIS auch und so kam dann doch noch der Wandel.
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Und plötzlich machte es „Klick“
bei OTIS
Nach fast genau drei
Monaten vollzog sich ein sichtbarer und fühlbarer Wandel bei OTIS. Er fing an,
mich zu beachten und auf kleinste Signale zu reagieren. Er folgte mir in
entspannter Körperhaltung am losen Strick, hielt an, wenn ich stehen blieb und
suchte sogar den Kontakt zu mir. Ich durfte ihn nun streicheln, knuddeln und
dirigieren. OTIS hatte beschlossen, dass es gut war, was wir machten. Er fing
an, den Menschen wieder zu vertrauen. Wir wurden langsam ein richtig gutes Team
(Ausnahmen bestätigen die Regel: Hin und wieder kommen natürlich die alten
Verhaltensmuster durch. Das muß man einfach ein Stück weit akzeptieren. Im
Gegensatz zu früher ist OTIS heute nach kleinen Ausrastern aber schnell wieder
normal händelbar.)
Nachdem sich OTIS nun für
unser Training entschieden hatte, konnte es richtig losgehen. Zu seinem
Training am Langseil kam nun endlich schrittweise die Physiotherapie dazu.
Physiotherapie und Training für
OTIS
im vierten bis neunten Monat
Physiotherapie
Da OTIS rechter, langer Rückenstrecker
immer noch sehr verspannt war, begann ich hier mit entsprechenden Massagen.
Nach vier Behandlungen war der rechte Rückenstrecker genauso locker wie der
linke.
Dazu kamen Dehnübungen wie
das Aufwölben des Rückens mittels Druck durch ein Pencellstäbchen unterm Bauch
an der Linea Alba. Außerdem forderte ich das Rückenaufwölben durch
Rückwärtsrichten mit tiefem Kopf und später auch das Rückwärtsgehen leicht
berghoch.
Die Beweglichkeit der
Vordergliedmaße förderte ich durch das Dehnen in Abduktion und Adduktion. Diese
Übung unterstützte ich zusätzlich durch das Übertreten der Vorhand in der
Vorhandwendung.
Die Schulterbeweglichkeit
verbesserte ich durch Anheben und Absenken lassen des Schulterblattes und durch
Vor- und Zurückschwingen des Schulterblatts, außerdem durch das nach vorne
Abstecken lassen der Vordergliedmaße. Die vordere Schultermuskulatur habe ich
gedehnt, indem ich am vorderen Schulterblattrand in die Muskulatur gedrückt
habe und am Schulterblattrand entlang geglitten bin.
Dehnung der vorderen Schultermuskulatur
Die Dehnung von Hals und
Schulter-muskulatur habe ich noch durch die sogenannte „Möhrchengymnastik“
unterstützt. Dabei locke ich den Kopf des Pferdes mittels einer Mohrrübe (oder
einem anderen Leckerchen) Richtung Kruppe bzw. Richtung Knie.
Um bei OTIS für allgemeine
Entspannung zu sorgen, habe ich ihn hin und wieder mal abkauen lassen. Dazu
lege ich Zeige-, Mittel- und Ringfinger in sein Maul auf seine Lade und bleibe
dort einen Moment, während er kaut.
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Um die Hinterhand locker
und beweglich zu bekommen, fange ich hier immer mit kleinen, kreisenden
Bewegungen der leicht angehobenen Gliedmaße an. Dann lasse ich die Kreise
langsam etwas größer werden. Danach dehne ich die Hinterhand nach hinten und
unterstützte diese Dehnung noch mit leichtem Druck von oben auf das
Sprunggelenk.
Dehnung der Hintergliedmaße nach hinten
Danach hebe ich die
Hintergliedmaße wieder an und führe sie nach vorne oben unter den Bauch, damit
ich die Glutealmuskulatur gedehnt bekomme. In der nächsten Übung führe ich die
Hintergliedmaße nach vorne Richtung Vorderhuf, um das Abkippen des Beckens zu fordern.
Vorführen der Hintergliedmaße in der
Lotlinie zum Vorderhuf
Ich führe den Schweifzug
nach hinten durch, um die gesamte Wirbelsäule zu strecken.
Außerdem mache ich den
Schweifzug nach rechts und links mit einer Hand am Becken, um die Beweglichkeit
zu testen und um Blockaden im Kreuzdarmbeinbereich auszuschließen.
Alle vier Wochen teste ich
die Beweglichkeit der Wirbelsäule über die Pencellstäbchen-reflexe sowohl in
der Seitwärtsbiegung als auch von hinten im Becken abkippen und wieder aufwölben.
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Training
OTIS wird wie vorne
beschrieben im Schritt und Trab gearbeitet. Um das Training präziser und
effektiver zu gestalten, wird jetzt am Kappzaum gearbeitet. Mit dem Kappzaum
kann ich Stellung und Biegung in gesunder Selbsthaltung des Pferdes erarbeiten.
Außerdem kommt das Training über eine Stange dazu. Da OTIS hinten rechts immer
noch kürzer tritt, kann er zwei oder mehr Stangen nicht korrekt bewältigen. Er
tritt dann auf die Stange und das ist für das Training nicht förderlich. OTIS
wird auf ganzer Bahn und auf dem Zirkel gearbeitet. Häufiges antraben und Tempi
Wechsel innerhalb einer Gangart sorgen für eine kräftige Hinterhand und für
mehr Schubkraft. Die Longenarbeit unterbreche ich immer mal wieder für geführte
Einheiten im Schritt, bei denen Schulterherein, das Übertreten der Hinterhand
auf der Zirkellinie und das Rückwärtsrichten gefordert werden.
Zum Schluss jeder
Physiotherapie- und Trainingseinheit darf sich OTIS in der Halle ausgiebig
wälzen.
Nach den ersten sieben
Monaten habe ich OTIS einige Male auch galoppieren lassen. Der Galopp ist
gleichmäßig und ruhig. Leider konnte ich auf Grund der ungünstigen
Gegebenheiten (Halle zu klein für Galopp, Außenplatz zur rutschig) den Galopp
nicht weiter in unserer Arbeit fördern.
Im achten Monat kam das
Training mit Longiergurt und Trense dazu. Über die Trense hat OTIS ein
Knotenhalfter bekommen, an dem die Longe befestigt wurde, damit kein unnötiger
Zug im Maul ankam. Nach ein paar Trainingseinheiten ließ sich OTIS ohne
Probleme gurten und trensen.
Im neunten Monat habe ich
den Longiergurt durch einen baumlosen Sattel ersetzt. Nun war es auch an der
Zeit, dass wieder ein Reiter auf seinem Rücken platz nahm. Ich leitete seine
Besitzerin beim ersten Aufsteigen genau an. Damit OTIS entspannt blieb, hatte
ich ihn an der Longe und forderte beim Aufsitzen gleich das „Kopf tief“. Es
funktionierte hervorragend. Als seine Besitzerin oben saß, atmete OTIS
entspannt aus. Nun konnte ich sie einige Runden in der Halle führen, ohne daß
Streß aufkam. Diese Übung haben wir dann in sein übliches Training integriert.
Therapieergänzungen
Kaisernatron zur
Entsäuerung
Lüneburger Kräuter (von
PerNaturam) zur Entgiftung und Ausscheidung
Huf-Fell-Perfekt (von
PerNaturam) zur Unterstützung im Fellwechsel und
zur Verbesserung der Hufe
Hagebutten zur
Unterstützung der Gelenke und des Immunsystems
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Abschlussbericht OTIS
Ich habe OTIS neun Monate
lang zweimal pro Woche behandelt und trainiert. Der Allgemeinzustand und das
Verhalten von OTIS haben sich enorm gebessert. Während der neune Monate hat
sich folgendes verändert:
OTIS nach neun Monaten Physiotherapie
und Training
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Positive
Veränderungen
Nach ca. fünf Wochen
konnte man die ersten positiven Veränderungen feststellen. OTIS war insgesamt
nicht mehr so steif und kam beim Führen durch den verwinkelten Stall besser um
die Ecken. Außerdem konnte er wieder alleine aufstehen.
Mit jeder Woche Training
fielen ihm die Übungen leichter. Man konnte dies deutlich an seinen immer
weniger werdenden Abwehrreaktionen merken. Heute, nach ca. neun Monaten
Training, kann er die Übungen wie Rückwärts gehen oder übertreten auf
Handzeichen hin ausführen ohne Probleme dabei zu haben.
Durch die Verkürzung der
Hufpflegeintervalle sind jetzt die Hufe gleichmäßiger. Die Hufqualität hat sich
verbessert. Die Hufstellung wird vorsichtig, nach und nach für OTIS optimiert.
Das Fell hat wieder Glanz
bekommen.
OTIS hat wieder Vertrauen
in seine Menschen. Er läßt sich leiten und anleiten, folgt sogar in schwierigen
und beängstigenden Situationen seinem Menschen am lockeren Strick. Sein Blick
ist freundlich und aufmerksam, sein Maul entspannt.
Der Schritt ist
raumgreifend und schreitend geworden.
Im Trab trägt sich OTIS
sehr schön in Selbsthaltung und zeigt eine gute Schubkraft in der Hinterhand.
Der Rücken ist wieder
locker und kann in der Bewegung schwingen.
Trapezmuskel, Rückenmuskel
und die Glutealmuskulatur haben sich gut entwickelt. OTIS ist insgesamt „runder“
geworden.
Der Schweif hängt wieder
gerade.
Der Unterhals hat sich
zurückgebildet und die Oberlinie hat sich gut entwickelt.
OTIS läßt Reiter ohne
Probleme aufsteigen und bleibt auch im Schritt gelassen.
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Weitere Ziele für OTIS
Die Glutealmuskulatur
hinten rechts ist noch nicht so gut ausgebildet wie die hinten links. Auch
zeigt das rechte Hinterbein im Trab immer noch einen leichten Hahnentritt. Hier
wird es die Zeit mit dem entsprechenden Training zeigen, ob diese Unkorrektheit
noch behoben werden kann.
Hier ist noch deutlich zu sehen,
dass die Muskulatur rechts schwächer
ausgeprägt ist als wie die links.
Unter dem Reiter lernt
OTIS, sich an die Reiterhand zu dehnen, statt den Kopf hoch zu reißen oder sich
extrem einzurollen. Hier ist natürlich das endgültige Ziel noch nicht erreicht.
OTIS bekommt jetzt noch einen angepaßten Sattel. Dann können wir im
Reittraining weitermachen. Unser Ziel ist es, daß er in ca. einem halben Jahr
problemlos in der Halle und auf dem Platz geritten werden kann. Dann soll er
auch mit anderen Pferden zusammen wieder ins Gelände geritten werden.
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OTIS und seine Besitzerin
sind glücklich und zufrieden mit dem, was wir in den letzten neun Monaten
erreicht haben. Ich werde das Training weiterhin einmal wöchentlich
unterstützen. Ansonsten wird OTIS nun von seiner Besitzerin weiter gearbeitet
und trainiert.
OTIS mit seiner glücklichen Besitzerin
Vielen Dank auch an die neue Besitzerin von Otis, die ihm eine 2. Chance gegeben hat, für mich ein unbeschreiblich schönes Gefühl... hier sieht man wie wichtig unsere Arbeit ist und jeder Besitzer sollte sein Pferd regelmäßig von einem Physiotherapeuten oder Osteopathen untersuchen lassen um genau solche Probleme im Vorfeld schon auszuschließen!
Bis zum nächsten Blog
Eure Sandra Heider